Pfarrei St. Medardus - Jockuschstr. 12 - 58511 Lüdenscheid
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(24.09.2023)



























Ansprache von Pfarrer Claus Optenhöfel bei der Verabschiedung von Gemeindereferentin Marita Franzen in St. Petrus und Paulus

Liebe Marita, liebe Schwestern und Brüder,

lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht!
Diesen Satz gibt Paulus der Gemeinde in Philippi mit. Eine Regel für die Gemeinde.
Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht!

Paulus liegt viel an der Gemeinde in Philippi. Er ist, als er den Brief schreibt, selber im Gefängnis, womöglich in Ephesus – und bleibt verbunden. Philippi, so sagt man, ist seine Lieblings-Gemeinde. Ob die Philipper das ahnen, weiß ich gar nicht. Dass sie sich deshalb besonders fromm und christlich verhalten – wohl auch nicht. Paulus kann sie auch sehr ordentlich ermahnen.

So könnte man auf die Idee kommen, dich, Marita, nach deiner Lieblings-Gemeinde zu fragen. Aber das ist unfair. Ich glaube ja, so wie du hier und in Brügge – besonders in diesen Gemeinden – aber auch zum Beispiel bei der Firmvorbereitung gewirkt hast in den letzten Jahren, konnten Menschen immer wieder spüren: ihr seid – in gewisser Weise – meine Lieblinge: ihr seid mir wichtig! Ich kümmere mich darum, dass es hier in der Gemeinde – und für die einzelnen Menschen, Gruppen – weitergeht.

Das können die einfachen Dinge sein, dass immer klar war: wenn wir uns mit dir treffen, dann gibt es irgendwie einen Keks, ein Plätzchen, was zu trinken – dafür ist gesorgt. Dann hattest du im Blick: welches Material brauchen wir jetzt, was besorge ich, worum kümmere ich mich? Oftmals – gerade in der letzten Zeit – denke ich, nicht allein, sondern Michael, dein Mann, war mit im Boot, eingeplant oder von sich aus im Team. Das schmutzige Geschirr habt ihr häufig zuhause gespült. Und wenn wir dir zum Abschied eine Packung Geschirrspülmittel schenken – dann wäre das wahrscheinlich kein Geschenk, sondern eher eine kleine Erstattung für das, was bei euch zuhause immer wieder gelaufen ist.

Also: Ja, Ihr seid mir wichtig! Weil es um das Evangelium Jesu geht.

Was entspricht denn dem Evangelium Jesu Christi? Paulus hat dabei sicher weniger unsere heutigen vier Evangelien im Blick (die waren damals noch nicht geschrieben), sondern die Botschaft von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Wir aber hören von ihm aus dem Evangelium und dürfen uns fragen: was sagt er uns denn da?

Arbeiter im Weinberg. Als Bild für den Himmel, das Himmelreich. Gemeint ist doch wohl: nicht alle sind ein Leben lang im Himmel. Manche kommen dahin erst sehr spät. Das gilt auch für dich, Marita: bis du mal in den Himmel Lüdenscheid gekommen bist, hattest du längst woanders dich verdingt, hattest auf den Marktplätzen Kölns dich anwerben lassen, warst dann im Bistum Münster ehrenamtlich aktiv. Lüdenscheid und Sankt Medardus – das ist sozusagen dein beruflicher Nachmittag.

Aber Lüdenscheid ist ja nicht dieses Himmelreich. Gemeint ist ja schon: zu Gott finden – und das zum Beispiel als Mensch, der sich für den Glauben an Gott entscheidet – aber sicher auch als jemand, der Gutes tut, eben nach dem Gebot der Liebe lebt. Und das – es ist nicht allein Entscheidung und Werk des Menschen. Sondern Gott wirbt von Anfang an, vom Morgen an – sucht und ruft uns ein Leben lang, vom ersten Tag an – weil er unser Gott ist, der uns in Liebe, Erbarmen und Güte begleitet. Er sagt es im Gleichnis selbst: „weil ich gut bin“ rufe ich jeden Menschen zu mir, und gebe ich jedem Menschen in gleicher Zuwendung das, was gut ist für ihn. Egal, wie früh oder spät er zu mir findet.

So lebt als Gemeinde! Als Menschen, die aus dieser überfließenden Güte Gottes leben – die sich ihr anvertrauen im Wissen darum, dass wir ihr selber nicht gerecht werden und nicht gut sind wie Gott. Die sich aber doch in ihrem Verhalten auch inspirieren lassen können – also in diesem Geist Gottes leben.

Wie oft spielen wir uns als „Arbeiter der ersten Stunde“ auf! Wir sind schon hier! Wir wollen unseren Lohn zu Genüge, nicht die anderen, die später kommen! Wie aktuell ist das, wenn politisch diskutiert wird: wir in Europa dürfen nicht alle rein lassen! Wir müssen unsere Grenzen sichern, denn wir sind schon hier! Wir Europäer der ersten Arbeitsstunde! Kann da Gottes Gerechtigkeit nichts bedeuten für unsere Bereitschaft, Menschen aufzunehmen, bei aller Kraft, die das kosten kann?

Wie groß ist auch die Gefahr für uns als Pfarrei! Sankt Paulus wird im Januar verabschiedet, Sankt Petrus und Paulus im Juni. Werden die, die hier zuhause sind, einen Ort finden – zum Beispiel am Sauerfeld – wo nicht schon Leute der ersten Stunde sitzen und sagen: wir arbeiten schon hier! Wenn ihr wollt, macht ein bisschen mit – aber meint nicht, dass ihr auch so viel bekommt wie wir? Werden wir bereit sein, uns alle auf die Stufe der Arbeiter der letzten Stunde zu stellen – weil wir spüren und glauben: der Herr des Weinbergs gibt allen genug, und wir werden alle miteinander leben können?

Arbeit im Weinberg des Herrn – als Bild für das Himmelreich. Du, Marita, hast hier als Seelsorgerin gewirkt – mit deinem Glauben und deiner Überzeugung, mit deinen Gaben und deiner Persönlichkeit. Du bist – zum Teil – anfangs hinein „gesprungen“, weil da die Gemeinden waren – kein Pastor mehr – und es einfach losgehen oder weitergehen musste. Du hast selber erlebt, wie viele Menschen in Brügge oder hier mit dir die Dinge in die Hand genommen und das Gemeindeleben gestaltet haben – und auch, wie viele von denen inzwischen nicht mehr da sind. Du hast dich eingebracht – auch in einer Kirche, die nach außen hin wenig einladend war und ist aufgrund der Skandale, aufgrund der großen Schuld und Gewalt mitten in der Kirche. In der dann eben nicht das Evangelium Jesu Christi im Mittelpunkt stand, sondern eigene Pfründe und Traditionen, in denen aber keine Frohe, sondern manchmal eine gnadenlose Botschaft steckt. Also: Freude an der Arbeit und dem Leben mit den Menschen hier zu finden, aber auch Enttäuschungen und Verluste zu erleben – das alles hat in den letzten Jahren dazu gehört, und vielleicht wird es auch gut sein, nach einiger Zeit in Rente noch mal draufzugucken und zu merken: mein Blick auf das alles verändert sich.

Für dich, Marita, ist dieser Tag – und sind diese Wochen eine Zäsur. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ich kann dir das wünschen, was Paulus sagt: Lebe so, wie es dem Evangelium entspricht: bleibe und sei immer wieder neu geprägt von der Guten Botschaft: Gott gibt dir voller Liebe und Güte, was dir guttut, was du brauchst! Wenn wir dir eine gesegnete Zeit wünschen dürfen – dann ist das ja nichts anderes als genau das!

Und wir als Gemeinde miteinander dürfen uns das auch sagen lassen: weil Gott uns das alles gibt, können auch wir neu werden, uns verändern – neue und veränderte Zeiten beginnen lassen – annehmen – und in ihnen mit Vertrauen leben. Wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht.